Saison 2011/2012: Konzert 6

Sonntag, 11. März 2012 17 Uhr Belgisches Haus

Beethoven, Cartellieri und Druschetzky

Beethoven, Septett Es-Dur op. 20 (in der Oktettfassung von Georg Druschetzky), Rondino Es-Dur WoO 25 Werke von Georg Druschetzky und Anton Casimir Cartellieri Amphion Bläseroktett Amphion Bläseroktett Sendung auf WDR 3 am 22.3.2012

Was heute die CD ist, war dem vermögenden Musikliebhaber der Wiener Klassik seine »Harmonie«, ein Ensemble mit meist paarweise besetzten Blasinstrumenten, das für die richtige Stimmung bei Tische und im Salon sorgte. Das Amphion Bläseroktett bietet echte Highlights aus dem umfangreichen Harmoniemusik-Repertoire, darunter Ludwig van Beethovens berühmtes Es-Dur-Septett op. 20 für Klarinette, Horn, Fagott und Streicher in einer Bearbeitung des Oboisten Georg Druschetzky.

Programmfolge

Georg Druschetzky (1745-1819)
Partita C-Dur
Presto - Menuetto - Andante - Rondo. Allegro

Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Rondino Es-dur WoO 25
Andante

Anton Casimir Cartellieri (1772-1807)
Divertimento Nr. 2 F-Dur
Adagio / Allegro agitato - Adagio poco Andante - Menuetto - Alla Cosacca

Pause

Ludwig van Beethoven
Septett Es-Dur op. 20 (1799)
arrangiert für Harmoniemusik von Georg Druschetzky (1812)

Adagio / Allegro con brio - Adagio cantabile - Tempo di Minuetto / Trio - Thema Andante con Variazioni - Scherzo. Allegro molto e vivace / Trio - Andante con moto alla marcia / Presto

Fürstliche Harmonien

Von Böhmen aus etablierte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts ein musikalischer Modetrend in den Wiener Adelsresidenzen, dem sich auch der sparsame Kaiser Joseph II. nicht lange verschloss: die Harmoniemusik, ein Bläserensemble, das sich in der Regel aus einem Oktett mit je zwei Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten zusammensetzte; gerne gesehen und gehört war als Neunter im Harmonie-Verband auch ein Kontrabass oder -fagott als tieftönendes Fundament. 1782 gründete Joseph nach diesen Prämissen die Kaiserliche Harmonie. Sie ermöglichte ihm, den neuesten Opern-Schlagern nicht nur in der Loge seines Burgtheaters zu lauschen, sondern auch an der Tafel und im „Cabinet“ - in entsprechenden Arrangements, versteht sich. Die nötigen Instrumentalisten dazu fanden sich im Hofopernorchester, für ihre „harmonischen“ Aufwartungen in der Residenz wurden sie extra entlohnt. Gut fünfzig Jahre später, als die Kaiserliche Harmonie aufgelöst wurde, fanden sich in ihrem Notenarchiv weit über hundert Opernbearbeitungen - und (nur) 22 Originalwerke. Aber egal, ob nun Bearbeitung oder Originalkomposition: Solch eine Harmoniemusik, obgleich entwicklungsgeschichtlich in der Militärmusik wurzelnd, war (und ist) immer Unterhaltungsmusik auf hohem künstlerischen Niveau, auf große Wirkung angelegt, auf Überraschungseffekte bedacht. Das erforderte beim Bearbeiten einer renommierten Vorlage ebenso viel instrumentatorisches Fingerspitzengefühl wie bei einer Neukomposition. Auf jeden Fall musste der Komponist oder Arrangeur genau wissen, was er seinem Bläseroktett abverlangen konnte, um satztechnische Eleganz und spieltechnische Raffinesse zu größtmöglicher klanglicher Wirkung zu bringen.

So haben neben den heute noch allgemein bekannten Größen der Wiener Klassik eine Reihe renommierter Spezialisten Musik für die Harmonie-Ensembles geschrieben. Den bedeutendsten unter ihnen stellt das heutige Konzert als Komponisten und Arrangeur vor: Georg Druschetzky, der eine für die damalige Zeit typische Oboisten-Karriere durchlief. 1745 kam er in einem Dorf in der Nähe von Prag zu Welt; als Schüler des kursächsischen Hofoboisten Antonio Besozzi fand er in den 1760er Jahren Anstellung in einem österreichischen Infanterieregiment, in dem er sich innerhalb von knapp zehn Jahren musikalisch hochdiente. Als Leiter der Militärmusik und vor allem als Paukenvirtuose machte er sich in den 1770er Jahren einen Namen. Damals wurde auch der Graf Ferdinand Kinsky als sein erster adeliger Förderer auf ihn aufmerksam. 1777 verließ Druschetzky das Militär, blieb aber als „Landschaftspauker“ in oberösterreichischen Diensten. Spätestens angesichts zentralistischer Sparbestrebungen des Kaisers, die schließlich zur Auflösung der landschaftlichen Paukisten-Stelle führten, dürfte sich Druschetzky in Richtung Prag und Wien orientiert haben, wo er im September 1783 in die renommierte Tonkünstler-Societät aufgenommen wurde. Mit den für die Harmoniemusik typischen Bläser-Parthien, divertimentohaft-eingängigen mehrsätzigen Kompositionen, versorgte er in dieser Zeit u.a. den Fürsten Schwarzenberg. Zwischen 1786 und 1790 wechselte er in die Orchesterdienste des Fürsten Antal II. Grassalkovic in Pressburg, wo ihm wiederum das Harmoniemusik-Ressort zufiel. Zwischen 1791 und 1799 führte er zunächst ebenfalls in Pressburg und dann in Pest die Harmonie des Fürstprimas József Batthyány an, und nach dessen Tod fand er im entsprechenden Ensemble des Erzherzogs Joseph von Habsburg Aufnahme, der auf der anderen Donauseite in Buda residierte. Ein für Druschetzkys Kompositionsweise typisches Werk stellt die Parthia C-Dur dar, mit der das heutige Konzert beginnt. Überliefert ist die volkstümlich-verspielte Folge von vier charakteristisch unterschiedlichen Sätzen mitsamt virtuosem Rondo-Kehraus in der Musiksammlung des Grafen Johann Joseph Pachta in Prag.

1812, also in seiner Spätzeit als Oboist im Bläserensemble Erzherzog Josephs, erschien in Wien Druschetzkys Bearbeitung von Ludwig van Beethovens Septett Es-Dur op. 20. Ein gutes Dutzend Jahre war dieses Werk damals schon alt; die Ursprungsversion für Violine, Viola, Violoncello, Klarinette, Horn, Fagott und Kontrabass hatte Beethoven der Kaiser-Mutter Maria Theresia gewidmet und gemeinsam mit seiner ersten Sinfonie am 2. April 1800 in einem ausschließlich seinen Kompositionen gewidmeten Konzert im Burgtheater uraufgeführt. Das Septett des 30-jährigen, gut acht Jahre zuvor aus Bonn zugewanderten Komponisten sollte zu seinen Lebzeiten das Werk bleiben, das sich beim Wiener Publikum der mit Abstand größten Beliebtheit erfreute - sehr zum Bedauern seines Schöpfers, der schon bald auf Distanz ging zu seinem durchgängig unkomplizierten Kompositionston. Diesen Charakter aber unterstreicht Druschetzkys Bläserarrangement in gekonnter Weise, doch berücksichtigt es dabei nach Möglichkeit auch den von Beethoven angelegten konzertanten Kontrast zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen, indem es zum Beispiel entsprechende Passagen zwischen Violine und Fagott in Dialoge zwischen Oboe und Horn überführt.

Eine der wenigen Originalkompositionen Beethovens für Harmonie-Ensemble stellt das Rondino WoO 25 dar; wie sein identisch besetztes Oktett op. 103 reflektiert es die Praxis, die Beethoven noch am Bonner Hof des Kölner Kurfürsten Maximilian Franz von Habsburg kennenlernte. Denn der hatte als Bruder des Kaisers 1784 die Harmonie-Mode mit an den Rhein gebracht. Im Druck veröffentlicht und damit allgemeiner bekannt wurde Beethovens einsätziges Werk aber erst 1830, nach seinem Tod. Ursprünglich hatte er es wohl als lyrischen Rondo-Satz in das erwähnte Oktett integrieren wollen. In seiner ausgewogenen Form und mit seinen hohen technischen Ansprüchen zumal an die Hornisten kann es aber zweifellos als autonomes Werk bestehen, als Klanggemälde in den gedeckten Farbtönen einer Idylle.

Etwa zeitgleich mit Beethoven traf aus anderer Richtung ein weiterer talentierter junger Musiker in Wien ein, Anton Casimir Cartellieri. Am 27. September 1772 in Danzig als Sohn eines deutsch-italienischen Sänger-Ehepaares geboren, hatte er zuvor in Berlin Kompositionsunterricht erhalten und war er dort mit 18 Jahren als Musikdirektor und Komponist in die Dienste des polnischen Grafen Ambrosius von Oborsky getreten. Wie Beethoven durch seinen Kurfürsten, so war Cartellieri anfänglich durch Oborsky mit einem Wien-Stipendium versorgt. Beide genossen sie in ihren ersten Jahren denn auch nebeneinander den Unterricht von Johann Georg Albrechtsberger, der 1793 Kapellmeister am Stephansdom wurde, und von Antonio Salieri, dem kaiserlichen Hofkapellmeister. Gemeinsam stellten sich Beethoven und Cartellieri auch im März 1795 in Wohltätigkeitskonzerten am Burgtheater einer breiteren Öffentlichkeit vor. 1796 wurde Fürst Joseph Franz Maximilian von Lobkowitz zu Cartellieris neuem Dienstherren: Bis zum frühen Tod im September 1807 wirkte er als Leiter von dessen kleiner, aber feiner Hofkapelle, die in dieser Zeit auch eine Reihe von Werken Beethovens zur Uraufführung brachte (u.a. sind Lobkowitz die Sinfonien 3, 5 und 6, die Streichquartette op. 18 und das Tripelkonzert op. 56 gewidmet). Selbstverständlich waren auch die Bläser dieser Kapelle als Harmonie-Ensemble gefragt. Drei einschlägige Divertimenti für Bläseroktett aus Cartellieris Feder finden sich in einer Handschrift, die in der Bibliothek jener Gesellschaft der Musikfreunde in Wien verwahrt wird, zu deren Mitbegründern Lobkowitz 1812 zählte. Das schwungvolle Divertimento F-Dur aus dieser Sammlung bietet mit seinem letzten Satz eine der seinerzeit beliebten Stilisierungen osteuropäischer Volkstänze als Schlusspointe.

behe

Mitwirkende

Amphion Bläseroktett
Xenia Löffler, Kerstin Kramp - Oboe
Christian Leitherer, Daniel Beyer - Clarinette
Bart Aerbeydt, Miroslav Rovenský - Horn
Eckhard Lenzing, Györgyi Farkas - Fagott
Tatjana Erler - Kontrabass