Saison 2010/2011: Konzert 5

Sonntag, 13. Februar 2011 17 Uhr Trinitatiskirche

Giovanni Battista Pergolesi

Stabat Mater | Salve Regina

Antonio Vivaldi

Nisi Dominus | Concerto g-Moll RV 156 Johannette Zomer Sopran | Maarten Engeltjes Alt Concerto Köln Concerto Köln Sendung auf WDR 3 am 9.3.2011

Giovanni Battista Pergolesi wurde nur 26 Jahre alt, aber er schenkte der Welt gleich mehrere Kompositionen, die dank ihrer bewegenden Tonsprache schon von den Zeitgenossen als musikalische Klassiker angesehen wurden. Darunter die beiden Kirchenwerke, die in diesem Konzert auf dem Programm stehen, das Stabat Mater und das Salve Regina. Concerto Köln hat für seine Aufführung im Nachklang des Pergolesi-Jahres 2010 die Sopranistin Johannette Zomer und den Altisten Maarten Engeltjes gewinnen können. Den neapolitanischen Gesangswerken stellt es den venezianischen Klassiker des Instrumentalkonzerts gegenüber - Antonio Vivaldi.

Programmfolge

Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736)
Salve Regina c-Moll
für Sopran, Streicher und Basso continuo

Antonio Vivaldi (1678-1741)
Concerto g-Moll RV 156
für Streicher und Cembalo
Allegro ‒ Adagio ‒ Allegro

Nisi Dominus g-Moll RV 608
für Alt, Viola d’amore, Streicher und Basso continuo

Pause

Giovanni Battista Pergolesi
Stabat Mater f-Moll
für Sopran, Alt, Streicher und Basso continuo

Pdf-Download: Gesangstexte und Übersetzungen

Geistliches zwischen Konzert und Oper

Man darf sie wohl als die größten italienischen Komponisten des 18. Jahrhunderts bezeichnen: Antonio Vivaldi und Giovanni Battista Pergolesi. Selten nur findet man sie aber in einem Programm vereint. Vielleicht, weil Vivaldi immer noch in erster Linie als Komponist von Violinkonzerten wahrgenommen wird. Dabei war er zumindest in Italien zeitlebens auch als Schöpfer vokaler Meisterwerke ein Begriff, gleichermaßen auf dem Gebiet der geistlichen Musik wie in der Oper.

Am 4. März 1678 wurde Vivaldi als Sohn eines Violinisten in Venedig geboren. Mit fünfzehn Jahren empfing er die Tonsur und zehn Jahre später die Priesterweihe. Doch findet sich der Pré Vivaldi in frühen Jahren auch schon an der Seite des Vaters aushilfsweise unter den Musikern am Markusdom, und aus Turin ist 1701 nach einem Besuch der beiden zu hören, der Sohn spiele ebenso hochvirtuos wie der Vater, der sein erster und vielleicht einziger Violinlehrer war. Vivaldi trat im September 1703 ein erstes Mal in die Dienste des Ospedale della Pietà, eines der vier venezianischen Mädchen-Waisenhäuser, die zugleich exquisite Musikschulen darstellten und dank ihrer Gottesdienste, die oft den Charakter von Konzerten annahmen, ein besonderes Besuchsziel jedes auswärtigen Kulturreisenden bildeten. Ein Priesteramt übte Vivaldi dort wohl nur bis zum Herbst 1706 aus, wichtige musikalische Ämter aber immer wieder, zunächst als maestro di violino, später als maestro de’ concerti. Es handelte sich um befristete Teilzeitstellen, mit denen sich zunächst nur Aufgaben als Instrumentallehrer verbanden. Zwischen 1713 und 1717 kam aber die regelmäßige Komposition von geistlichen Vokalwerken hinzu. Da war Vivaldi als Meister des Violinkonzerts bereits eine internationale Größe; seine erste gedruckte Konzertsammlung, den Estro armonico op. 3, konnte er bei einem der fähigsten Musikverleger veröffentlichen, Estienne Roger in Amsterdam. Entsprechende Verbreitung fand sie in den Repertoires des europäischen Adels. Gleiches galt für die weiteren Violinkonzert-Sammlungen, die er bis 1729 drucken ließ (darunter 1725 das Opus 8, Il cimento dell’armonia e dell’inventione, mit den Vier Jahreszeiten). Ebenso florierte das Geschäft mit Manuskriptkopien seiner Werke, die er Interessenten gegen gutes Geld überließ. Mit der Premiere seines Ottone in villa in Vicenza kam 1713 als ein weiteres erfolgversprechendes Betätigungsfeld die Oper hinzu, der Vivaldi sich bald auch in seiner Heimatstadt widmete. Mit einem Intermezzo zwischen 1718 und 1720 als Kammerkapellmeister des kaiserlichen Gouverneurs von Mantua, Philipp von Hessen-Darmstadt, erweiterte er seinen Wirkungsbereich; Rom, Florenz, Reggio, Verona und Ferrara zählen zu den italienischen Städten, in denen er wiederholt als Opernkomponist verpflichtet wurde und immer wieder auch als Violinvirtuose von sich reden machte. Kontakte zum böhmischen Grafen Morzin und zu Kaiser Karl VI. brachten ihn vermutlich um 1730 nach Prag, wo man seine Opern nachspielte, und vielleicht auch schon nach Wien, das zehn Jahre später, am 28. Juli 1741, zu seinem Sterbeort werden sollte: Mit zweiundsechzig Jahren hatte Vivaldi seiner Heimat endgültig den Rücken gekehrt, in der zuletzt jüngere Komponisten den Ton angaben und auch die Vorsteher der Pietà kaum mehr auf seine Dienste zurückgriffen. Seine mutmaßlichen Hoffnungen, unter der Protektion des Adels am Wiener Kaiserhof noch einmal Erfolge feiern zu können, haben sich nicht erfüllt.

Vivaldis Psalmvertonung Nisi Dominus g-Moll für Alt, Streicher und Basso continuo gehört in jene erfolgreiche Schaffensphase zwischen 1713 und 1717, in der er regelmäßig Vokalmusik für die Gottesdienste der Pietà komponierte. Der gewählte Text deutet auf eine Aufführung in der Vesper eines Marienfeiertages hin. Aus der prägnant disponierten neunteiligen Solomotette spricht die Sprache des Konzerts, aber auch die der Oper: Die Instrumente geben in den musikalisch eng verwandten Rahmensätzen einen virtuosen Gestus vor, in den sich die Vokalstimme im vielgestaltigen konzertanten Wettstreit einfügt, der hochbarocke Koloraturkunst verlangt. Den ruhenden Mittelpunkt des Werkes bildet die Siciliano-Arie »Cum dederit delectis suis« (»Denn den Seinen gibt es der Herr im Schlaf«), ein typisch Vivaldi’sches Nachtstück. Den anschließenden Lobpreis »Gloria patri« schmückt der Komponist mit der Gloriole einer metallisch-hell klingenden Viola d’amore aus, die sich mit der Gesangsstimme in einem hingebungsvollen Gebetsgestus verbindet.

Dem Nisi Dominus hat Concerto Köln mit dem g-Moll-Concerto RV 156 eines jener Streicher-Konzerte Vivaldis vorangestellt, die ebenfalls im geistlichen Rahmen ihren Platz fanden: in der Funktion einer Kirchensonate oder eben als Einstimmung auf ein Vokalwerk. Hier verzichtet Vivaldi auf ausgeprägte Solopartien, gibt dafür einem strenger anmutenden Kontrapunkt größeren Raum.

Als sich Vivaldis Ruhm in ganz Europa verbreitete, hatte Giovanni Battista Pergolesi gerade erst in Jesi nahe Ancona das Licht der Welt erblickt, am 4. Januar 1710. Als Landvermesser pflegte sein Vater Kontakte zum lokalen Adel, was bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz für den kränklichen und durch eine Gelenkversteifung am linken Bein beeinträchtigen Giovanni Battista hilfreich war: Als etwa Dreizehnjähriger mit Grundkenntnissen in Geigenspiel und Kontrapunkt kam er an das Conservatorio dei Poveri di Gesù Cristo in Neapel, einem jener vier Äquivalente des spanischen Vizekönigtums zur venezianischen Ospedali-Kultur. Zu Pergolesis Lehrern zählten die renommierten Komponisten Leonardo Vinci und Francesco Durante. Auch außerhalb des Konservatoriums hatte er reichlich Gelegenheit, als Sänger und Violinist Erfahrungen zu sammeln. Von seinen kompositorischen Fähigkeiten zeugten zunächst oratorische Werke für religiöse Bruderschaften; musikalisch war der Weg nicht weit von diesen geistlichen Dramen zur Ende 1731 komponierten Opera seria La Salustia. Der künstlerische Durchbruch gelang Pergolesi im Jahr darauf mit der musikalischen Komödie Lo frate ’nnamorato, deren Erfolg ihm die Ehrentitel eines organista soprannumerario am Hof des Vizekönigs und eines maestro di cappella im Haus des neapolitanischen Patriziers Don Ferdinando Colonna Stigliano eintrug. Wiederum ein Jahr später folgte Il prigionier superbo, eine Oper, zu der Pergolesi mit La serva padrona auch noch ein komisches Intermezzo vertonte, das bis heute seinen Ruhm als Meister musikalischer Charakterzeichnungen prägt. Auch in der Kirchenmusik konnte sich Pergolesi beweisen, als die angesichts mehrerer leichterer Erdbeben besorgte neapolitanische Bürgerschaft ihn mit der Komposition einer Messe und einer Vesper zu Ehren des städtischen Schutzpatrons San Emidio beauftragte. Die Katastrophe kam für die Stadt dann von anderer Seite, als Karl III. von Bourbon und das Haus Habsburg um die Macht im Königreich kämpften. Pergolesi, inzwischen zum stellvertretenden städtischen Kapellmeister ernannt, konnte sich den Gefahren der kriegerischen Auseinandersetzung im Frühjahr 1734 entziehen, denn ein einflussreicher Gönner, Herzog Marzio Maddaloni Carafa, lud ihn in seinen Palazzo nach Rom ein. In der römischen Kirche San Lorenzo in Lucina erklang seine Messa per San Emidio in einer überarbeiteten mehrchörigen Fassung, das Teatro Tordinona erlebte im Januar 1735 die Uraufführung der Oper L’Olimpiade. In dieser Weise hätte Pergolesis musikalische Karriere erfolgreich weitergehen können, hätte nicht eine Tuberkulose seinem Schaffen ein baldiges Ende gesetzt. Mit nur 26 Jahren starb er am 17. März 1736 in einer Landvilla Herzog Maddalonis in Pozzuoli.

Posthume Berühmtheit wurde Pergolesi zunächst durch ein geistliches Werk zuteil, das Stabat Mater f-Moll für Sopran, Alt, Streicher und Generalbass. Es geht die Legende, dass es sich dabei um seinen »Schwanengesang« handelt. Aber wann und für wen er die empfindsame Vertonung des mittelalterlichen Hymnus von der gramgebeugt am Fuße des Kreuze stehenden Gottesmutter auch immer komponiert haben mag: fast unmittelbar nach Pergolesis Tod trat sie einen Triumphzug durch Europa an, so wie ein Vierteljahrhundert zuvor die Violinkonzerte Vivaldis. Die Euphorie, mit der man nun Pergolesis Musik begegnete, lässt sich heute noch leicht nachvollziehen: Ihm gelingt es, aus musikalischen Archetypen (allen voran den spannungsgeladenen Vorhaltsdissonanzen in den Oberstimmen, die sich durch das ganze Stück ziehen) eine unmittelbar berührende, textkongruente Musik zu formen, in der das Instrumentale als der perfekte Hintergrund vokaler Expressivität fungiert und bei aller satztechnischer Varianz doch von Anfang bis Ende ein und dieselbe kontemplative Haltung gewahrt bleibt.

Ein kongeniales Schwesterwerk zum Stabat Mater ist Pergolesis c-Moll-Vertonung der marianischen Antiphon Salve Regina. In diesem Werk beschränkt er sich im Vokalpart auf die Sopranstimme (bzw. in einer Alternativfassung in f-Moll auf den Alt), verleiht dem Gebet der »verbannten Kinder Evas« an die Gottesmutter aber deswegen nicht weniger Ausdrucksintensität.

behe

Mitwirkende

Johannette Zomer, Sopran
Maarten Engeltjes, Alt

Concerto Köln

Concerto Köln spielt heute in folgender Besetzung:

Markus Hoffmann - Violine 1, Konzertmeister
Chiharu Abe - Violine 1, Viola d´amore
Jörg Buschhaus - Violine 1
Frauke Pöhl - Violine 1
Stephan Sänger - Violine 2
Antje Engel - Violine 2
Hedwig van der Linde - Violine 2
Horst-Peter Steffen - Violine 2
Aino Hildebrandt - Viola
Claudia Steeb - Viola
Anna Gärtner - Viola
Jan Kunkel - Violoncello
Ulrike Schaar - Violoncello
Francesco Savignano - Kontrabass
Alexander Puliaev - Cembalo
Michael Dücker - Laute