Saison 2010/2011: Konzert 6

Sonntag, 13. März 2011 17 Uhr COMEDIA Theater

Für Pianoforte, Violine und Violoncell

Kammermusik des 19. Jahrhunderts Alte Musik Köln Alte Musik KölnUwe Brandt Sendung auf WDR 3 am 24.3.2011

Der aparten Klangkombination des Klaviertrios mit Violine, Violoncello und Pianoforte schenken die Komponisten seit dem 18. Jahrhundert immer wieder besondere Aufmerksamkeit. Für das 100. Konzert des FORUM ALTE MUSIK hat das Ensemble Alte Musik Köln romantische Werke in dieser Besetzung ausgewählt, die aus der Feder von Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann stammen - zwei Musiker, die im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts wie wenige ihrer Zeitgenossen schon vorausschauend auf die Alte Musik zurückblickten und ihrer Wiederentdeckung musikalisch und publizistisch die Bahn ebneten.

Programmfolge

Robert Schumann (1810-1856)
Trio Nr. 2 F-Dur op. 80
Sehr lebhaft
Mit innigem Ausdruck
In mäßiger Bewegung
Nicht zu rasch

Phantasiestücke op. 88
Romanze: Nicht schnell, mit innigem Ausdruck
Humoreske: Lebhaft
Duett: Langsam und mit Ausdruck
Finale: Im Marschtempo

Pause

Friedrich Kiel (1821-1885)
Trio Nr. 5 G-Dur op. 34
Allegro moderato
Andante quasi Allegretto e grazioso
Allegro vivace e scherzando

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
Trio Nr. 2 c-Moll op. 66
Allegro energico e con fuoco
Andante espressivo
Scherzo: Molto allegro quasi presto
Finale: Allegro appassionato

Triogedanken

»Wo uns endlich wahrhaft Neues, Unerhörtes geboten wurde, lauter Altes nämlich, war in einigen der letzten Concerte, in denen uns Meister von Bach bis auf Weber in chronologischer Folge vorgeführt wurden. Ein Glück, daß unsere Vorfahren nicht etwa rückwärts gedrehte historische Concerte veranstalten konnten; die Hand aufs Herz – wir würden schlecht bestehen.« Große Skepsis gegenüber jenen zeitgenössischen Werken, die er jüngst in Konzerten und Notenausgaben kennengelernt hatte, spricht aus Robert Schumanns Rückblick auf das Leipziger Musikleben, den er 1838 in seiner Neuen Zeitschrift für Musik publizierte. Damals war der Sinn für den Aktualitätswert des Alten noch relativ jung und auch keineswegs kulturelles Allgemeingut. Neben den kompositorischen Übervater Beethoven war für die Komponistengeneration Schumanns aber unzweifelhaft ein zweiter getreten: Johann Sebastian Bach. In dessen früherer Wirkungsstätte Leipzig lebte Schumann zwischen 1830 und 1844, hier besonders verband ihn auch der engste künstlerische und freundschaftliche Austausch mit Felix Mendelssohn Bartholdy, der seit 1835 der Gewandhauskapellmeister war. In der Berliner Bach-Tradition des späten 18. Jahrhunderts wurzelnd, teilte Mendelssohn Schumanns Wertschätzung für die Musik vergangener Jahrhunderte mit Enthusiasmus, in der Überzeugung, »dass alles Alte, Gute neu bleibt, wenn auch das Hinzukommende anders werden muss als das Alte, weil es eben von neuen oder andern Menschen ausgeht.« Wesentlich bleibt an dieser Mendelssohn’schen Maxime, die er im Dezember 1834 in einem Brief an seine Schwester Rebecka formulierte, das Qualitätskriterium: Egal, wie alt die Musik auch ist, es geht um ihren künstlerischen Wert. Eine Maxime, die ihn dazu brachte, im Leipziger Gewandhaus jene Historischen Concerte ins Leben zu rufen, auf deren erste Folge sich das einleitende Zitat Schumanns bezieht. Was den Leipzigern zur Zeit Mendelssohns und Schumanns die Historischen Concerte waren, das kann den Kölnern unserer Tage das Forum Alte Musik sein: eine Reihe, die Jahr für Jahr »Neues«, nämlich Wiederentdeckenswertes aus früheren Epochen zu bieten hat, aber auch scheinbar Bekanntes in »unerhörter« Form, wenn etwa, wie heute, das Repertoire der Romantik auf den Instrumenten und in der Spielweise ihrer Entstehungszeit erklingt. Dass nun, in diesem 100. Konzert des Forum Alte Musik Köln, mit Schumann und Mendelssohn zwei frühe Mentoren der Alten Musik das Programm prägen, ist eine glückliche Fügung.

In der Gattung des Klaviertrios haben Schumann und Mendelssohn es verstanden, Altes und Neues individuell zu verbinden. Für beide stellte das Klavier zeitlebens ein elementares musikalisches Ausdrucksmittel dar, und eine entsprechend wichtige Rolle spielte es als Kammermusik-Partner, beim häuslichen Musizieren ebenso wie auf dem Konzertpodium. Hier öffneten sich auch in einem überschaubaren Besetzungsrahmen weite Räume zum komplexen Experimentieren mit Formen und Farben und zur flexiblen Interaktion zwischen den Musikern. Schumann schrieb seine beiden ersten großen Klaviertrios innerhalb weniger Monate zwischen Juni und Dezember 1847, in einer Zeit, in der er mit seiner Familie nach Dresden gezogen und damit etwas auf Distanz zum Leipziger Musikbetrieb gegangen war. Die Arbeit am heute zu hörenden Trio F-Dur op. 80 begann er, noch bevor das frisch komponierte d-Moll-Trio op. 63 zum Geburtstag seiner Frau Clara am 13. September ein erstes Mal in privatem Rahmen erklungen war. »Sehr fröhlich – Triogedanken…,« liest man als Tagebucheintrag für den 11. August; »freundlicher und schneller« sollte das F-Dur-Stück werden als das »in einer Zeit düsterer Stimmungen« komponierte Schwesterwerk. Vielleicht hätte es sich seinem Charakter nach sogar noch besser als Geburtstagsgabe für die Gattin geeignet, die es »leidenschaftlich liebte«, »immer und immer wieder spielen« wollte. Einen besonderen Reiz mochten auf sie die vielen kontrapunktischen Finessen in den heiter anhebenden, ungestüm voraneilenden Rahmensätzen ausüben, das Alte im Neuen. Im bewussten Kontrast dazu steht der zweite Satz mit seinen lyrischen Streicher-Kantilenen über perlenden Klavierakkord-Folgen. Dem dritten Satz dient die alte Imitationskunst des Kanons als eigenwilliger melodischer Impulsgeber. Den beiden Klaviertrios op. 63 und 80 vorausgegangen war bereits fünf Jahre zuvor eine erste Komposition für »Pianoforte, Violine und Violoncell«, die sich aber weniger als Zyklus denn als Folge von vier individuellen Charakterstücken darstellt, in denen sich Liedhaftes und Tänzerisches abwechselt. Erst 1850, in dem Jahr, in dem am 22. Februar im Leipziger Gewandhaus das F-Dur-Trio seine erste öffentliche Aufführung mit Clara Schumann sowie den führenden Gewandhausmusikern Ferdinand David und Julius Rietz erlebte, erschien auch das ungewöhnliche frühe Klaviertrio als Opus 88 im Druck, unter dem ebenso poetischen wie treffenden Titel »Phantasiestücke«.

Als Felix Mendelssohn Bartholdy im Frühjahr 1845 die Muße fand, sein Trio c-Moll op. 66 zu komponieren, hatte er sich gerade samt Familie nach Frankfurt und in den Taunus zurückgezogen, ausgelaugt von vielfältigen Verpflichtungen im In- und Ausland. »Ich kann an meiner Musik und an Frau und Kindern, und an mir erst dann so rechte Freude haben, wenn die Freude ohne Hetze ist, wie hier jetzt«, schrieb er am 26. April an seinen Jugendfreund Eduard Devrient. »So habe ich denn mancherlei Neues gemacht, zuletzt ein Trio für Piano mit Violine und Baß.« Mendelssohn setzte das Werk prompt dem auf der Durchreise Station machenden Ferdinand David vor, der es gemeinsam mit ihm und dem Cellisten Carl Wittmann dann noch am 20. Dezember desselben Jahres im Leipziger Gewandhaus zur Uraufführung brachte. Am gleichen Ort konnte es im Juni 1846 auch sein Widmungsträger hören, der Violinvirtuose und Kasseler Kapellmeister Louis Spohr. »Das Trio ist ein bißchen eklig zu spielen, aber eigentlich schwer ist es doch nicht«, hat Mendelssohn die neue Komposition gegenüber seiner Schwester Rebecka charakterisiert; »suchet, so werdet Ihr finden«. Den konzerthaften spieltechnischen Ansprüchen, die nur im lyrischen Andante espressivo, einem »Lied ohne Worte« à 3, etwas abgemildert sind, entspricht eine fast sinfonische kompositorische Komplexität, die sich schon durch die Vielfalt der thematischen und motivischen Kombinationen und Motive ergibt – selbst in der Reprise des Scherzos, in der Mendelssohn die Melodik des kontrastierenden Trios noch einmal aufscheinen lässt. Dem Finalsatz verleiht er durch die Einführung eines choralartigen dritten Themas einen geradezu apotheosenhaften Charakter.

Darf man Schumanns und Mendelssohn Klaviertrio-Kompositionen noch heute zu den Repertoirestücken zählen, verhält es sich mit den Werken Friedrich Kiels ganz anders. Dabei war der aus der Grafschaft Wittgenstein stammende Musiker für mehr als zwanzig Jahre eine bestimmende Größe im Kulturleben Berlins. Einem Stipendium Friedrich Wilhelms IV. verdankte er die musiktheoretische Ausbildung bei Siegfried Dehn, dem Musikbibliothekar der Königlichen Bibliothek – dass er seinen Geschmack auch an den dort aufbewahrten alten Musikalien etwa von Johann Sebastian Bach schulte und zur Kontrapunkt-Koryphäe wurde, verwundert da kaum. Das Trio G-Dur op. 34 dürfte bald nach der Druckveröffentlichung 1869 in den Hauskonzerten von Johannes Brahms erklungen sein, der sich regelmäßig vom Verleger Simrock die neuen Werke Kiels nach Wien schicken ließ. Auch Clara Schumann schätzte den Komponisten, und der Musikfeuilletonist Otto Gumprecht apostrophierte ihn 1886 gar als »den zweiten nächst Brahms von den neuesten Meistern der Kammermusik«. Für diese Charakterisierung bietet das G-Dur-Trio durchaus Anhaltspunkte, lenkt man den Blick auf die markanten und miteinander verwandten Kopfmotive der Rahmensätze, die kontrapunktisch dichte und rhythmisch prägnante Komponierweise, den virtuosen Klaviersatz und nicht zuletzt ein Changieren auf engstem Raum zwischen Dur und Moll. Als Anspielung auf ältere Formmodelle kann man die Dreisätzigkeit des Werks deuten, die im Andante quasi Allegretto e grazioso Lyrisches und Tänzerisches vereint.

behe

Mitwirkende

Alte Musik Köln

Uwe Brandt - Fortepiano
Christine Rox - Violine
Klaus-Dieter Brandt - Violoncello

Der im Konzert verwendete Hammerflügel wurde 1839 von der Firma Érard in Paris erbaut und stammt aus der Klaviersammlung des WDR. Die Streichinstrumente sind nach der Praxis des 19. Jahrhunderts mit Darmsaiten bespannt, Steg, Griffbrett und Saitenhalter entsprechend angepasst.