2023/2024: Konzert 5

Sonntag, 28. Januar 2024 WDR-Funkhaus 17 Uhr

Virtuos gezupft

Musik für Mandoline und Cembalo von Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville, Antonio Vivaldi, Georg Philipp Telemann, Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven und Vincent Neuling Daniel Ahlert Léon Berben Daniel Ahlert, Léon Berben Sendung auf WDR 3 am 26. Februar 2024 ab 20.04 Uhr

Zur großen Familie der alten Lauteninstrumente gehört die Mandoline, deren zarter, galanter Klang sich seit dem 17. Jahrhundert zunehmender Beliebtheit erfreute. Daniel Ahlert widmet sich dem solistischen Spiel auf der barocken und der klassischen Mandoline. Gemeinsam mit Léon Berben am Cembalo stellt er reizvolles Repertoire des 18. Jahrhunderts auf gezupften Saiten vor.

Programmfolge

Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville (1711-1772) Sonate g-Moll op. 3,1 für Cembalo und Violine (in Bearbeitung für Cembalo und Mandoline) Ouverture (Grave / Allegro) - Aria - Giga. Allegro Antonio Vivaldi (1678-1741) Sonate D-Dur RV 810 für Mandoline und Basso continuo Andante - Allegro - Largo - Allegro Georg Philipp Telemann (1681-1767) Sonata da chiesa g-Moll TWV 41:g5 für verschiedene Instrumente Grave - Alla breve - Adagio - Vivace Joseph Haydn (1732-1809) Sonata per il Clavicembalo g-Moll Hob. XVI:44 Moderato - Allegretto Ludwig van Beethoven (1770-1827) Sonatine c-Moll WoO 43b für Mandoline und Cembalo Adagio Sonatine C-Dur WoO 44a für Mandoline und Cembalo Allegro - Adagio - Andante con Variazioni Vincent Neuling (um 1760-1820) Sonate G-Dur op. 3 für Cembalo und Violine oder Mandoline Allegro moderato - Andante - Scherzo Presto - Trio - Andante con Variazioni

Zart besaitete Tongebilde

In der weitverzweigten Familie der Lauten, die im 11. Jahrhundert durch die Mauren aus dem arabischen Raum nach Spanien gefunden und sich in ganz Europa verbreitet hatten, gilt die Mandoline mit ihrem zarten und feinen Klang heute als eines der wandelbarsten Instrumente. Alleine im 18. Jahrhundert gab es mindestens sieben Varianten, die sich in Bauweise und Stimmung unterschieden und bis heute noch nicht vollständig erforscht sind.

Der älteste Typ, heute oft Barockmandoline genannt, ist in der Bauart einer Laute sehr ähnlich und hat vier bis sechs Doppelsaiten aus Darm, die mit den Fingern oder einem Plektrum aus Kirschbaumborke gezupft wurden. Prominente noch existierende Instrumente stammen von niemand Geringerem als Antonio Stradivari (1648-1737), der heute vor allem als Geigenbauer eine Berühmtheit ist. Komponisten wie Antonio Vivaldi, Georg Friedrich Händel und Johann Adolph Hasse haben Sonaten, Trios und Konzerte für dieses Instrument geschrieben und es auch in ihren musikdramatischen Werken eingesetzt. Um 1750 wurde ein neuer Mandolinentyp gebaut, der heutzutage als Neapolitanische Mandoline bezeichnet wird. Die Besaitung aus Darm wich größtenteils Messingsaiten, die mit einer Straußen- oder Rabenfeder gespielt wurden. Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven komponierten ihre Mandolinenmusik für diesen Typus. Das heute bekannteste Beispiel dafür stellt wohl jene Arie Deh, vieni alla finestra aus Mozarts Oper Don Giovanni von 1787 dar, in der sich der Titelheld selbst bei einem Ständchen unter dem Fenster einer Dame auf der Mandoline begleitet.

Das heutige Konzert stellt beide Instrumententypen in Kammermusikwerken des 18. Jahrhunderts vor. Dabei ergeben sich aus dem Zusammenspiel mit dem Cembalo, dessen Messingsaiten durch Federkiele angerissen werden, mal reizvolle Klangverschmelzungen, mal deutliche Kontrastwirkungen. Wir laden Sie ein, diesem schillernden Klangfarbenspiel nachzulauschen, das ebenso aus den Wechselwirkungen zwischen den Instrumenten wie aus den unterschiedlichen Schreibweisen der vorgestellten Kompositionen resultiert.

Für die Mandolinen-Spieler im 18. Jahrhundert war es eine übliche Praxis, sich Kompositionen einzurichten, die ursprünglich für ein anderes Instrument bestimmt waren. In unserem Programm ist aber eine der damals in Frankreich sehr beliebten Duosonaten für Cembalo und begleitende Violine das einzige Werk, das nicht original für Mandoline geschrieben wurde. Die Sonate stammt von Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville, einem der erfolgreichsten Violinvirtuosen und Komponisten im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts in Paris.

Die Werke des venezianischen Violinvirtuosen Antonio Vivaldi für Mandoline sind schon vor längerer Zeit wiederentdeckt worden. Die D-Dur-Sonate RV 810 findet sich in einer Abschrift von Johann Georg Pisendel in der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden. Der kursächsische Violinist und Konzertmeister hatte Vivaldi im Frühjahr 1716 persönlich in Venedig kennengelernt und etwa sieben Monate lang seinen Unterricht genossen. Dem Notenmanuskript fehlen zwar Angaben zur Instrumentation der Sonate, doch ist ihr zweiter Satz über weite Teile identisch mit dem Mandolinenpart aus der Arie Transit aetas in Vivaldis Oratorium Juditha triumphans, das im November 1716 seine Uraufführung erlebte. Zudem ist die Sonate ohne Änderungen auf der Barockmandoline spielbar, so dass es zumindest denkbar ist, dass es sich um ein Originalwerk für dieses Instrument handelt.

Die Sonate des Hamburger Musikdirektors Georg Philipp Telemann findet sich in seiner Sammlung Der getreue Music-Meister, die 1728/29 in mehreren Fortsetzungen erschien und die Bedürfnisse anspruchsvoller Kenner und Liebhaber aus Adel und Bürgertum für das Musizieren in Kammer und Salon im Blick hatte. Das Werk ist dann auch für ein frei wählbares Melodieinstrument und Basso continuo komponiert.

Ein Tastenwerk von Joseph Haydn führt uns vom Barock zur Klassik. Lange Zeit stand das Cembalo im Musikleben des 18. Jahrhunderts noch gleichberechtigt neben dem moderneren Fortepiano mit seiner Hammer-Mechanik. Vor allem die Notenausgaben betonten schon um einer besseren Verkäuflichkeit willen lange Zeit die Eignung der Kompositionen für das Clavicembalo oder Clavecin, selbst wenn die dynamischen Differenzierungen im Notentext eindeutig auf den Hammerflügel abzielten. Haydns melancholische g-Moll- Sonate, die vermutlich in der ersten Hälfte der 1770er-Jahre in seiner Zeit als Kapellmeister des Fürstenhauses Esterházy in Eisenstadt entstand, steht da an einem Scheideweg.

Ludwig van Beethoven komponierte seine Werke für Mandoline und Tasteninstrument in der zweiten Hälfte der 1790er-Jahre, nach der Begegnung mit der zukünftigen Schwiegertochter des Adelshauses Clam-Gallas in Prag. Diese Comtesse Josefine Clary-Aldringen spielte laut zeitgenössischen Berichten mit viel Anmut, Können und Passion die Mandoline. Vier der Mandolinen-Werke Beethovens kennen wir heute noch, ein fünftes ist leider verschollen.

Möglicherweise hatte auch die Sonate von Vincent Neuling, die um 1800 in Wien im Druck erschien, ursprünglich eine versierte Mandolinen-Spielerin im Blick. Das würde jedenfalls erklären, warum das Werk neben der Violine ausdrücklich die Mandoline als alternativen Duo-Partner für das Cembalo vorsieht und den jungen Damen Babette et Madelaine de Lechleitner gewidmet ist. Dass der Komponist mit dem bekannten Wiener Gastwirt und Bierbrauer gleichen Namens identisch ist, der von 1795 bis 1846 lebte, ist schon aus chronologischen Gründen auszuschließen, selbst wenn dieser ab 1822 Hauskonzerte veranstaltete und Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste Wien wurde. Auch in ihrer musikalischen Sprache weist die Sonate eher ins späte 18. Jahrhundert.

Daniel Ahlert / behe

Mitwirkende u. Instrumente

Daniel Ahlert – Mandoline Léon Berben – Cembalo

Im heutigen Konzert spielt Daniel Ahlert den Nachbau einer Barockmandoline von Ambrogio Maraffi (Mailand um 1769) und eine Neapolitanische Mandoline von 1760, deren Erbauer nicht genau ermittelt werden kann.
Léon Berben spielt heute den Nachbau eines Cembalos von Christian Zell (Hamburg 1728).