Saison 2005/2006: Konzert 4
Il Santissimo Natale
Weihnachtliche Musik NeoBarock Laure Delcampe, Sopran Sendung im Deutschlandfunk am 20.12.2005Ihren Lauf nimmt die Weihnachtsgeschichte mit der Verkündigung des Engels. Darauf folgen der Lobgesang der Maria (das Magnificat), der Lobgesang des Simeon (Nunc dimittis), die Herbergssuche, der Stall, die Geburt, die Hirten und die Anbetung des Kindes durch die Heiligen drei Könige. Aus diesem biblisch überlieferten Weihnachtsgeschehen hat das Ensemble NeoBarock mit der Sopranistin Laure Delcampe ein Programm mit Instrumental- und Vokalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts aus Italien und Deutschland zusammengestellt, das die wesentlichen Momente der Geburt Jesu Christi musikalisch darstellt. Es erklingen Kompositionen von Biber, Valentini und Händel.
Programmfolge
aus Rosenkranzsonaten: Nr. 1 "Die Verkündigung"
für Violine und Basso continuo
Georg Friedrich Händel (1685-1759)
"Salve Regina", HWV 241, Rom 1707?
Kantate für Sopran, 2 Violinen und Basso continuo
Domenico Gallo (1. Hälfte 18. Jh.)
Sonata I, G-Dur (früher G. B. Pergolesi zugeschrieben)
für 2 Violinen und Basso continuo
Georg Friedrich Händel
Sonate G-Dur, op. 5 Nr. 4, HWV 399, London 1739
für 2 Violinen und Basso continuo
Pause
Heinrich Ignaz Franz Biber
aus Rosenkranzsonaten: Nr. 3 "Christi Geburt"
für skordierte Violine und Basso continuo
Giuseppe Valentini (1680-1746)
Sinfonia a tre, op. 1 Nr. 12, Rom 1701
"per il Santissimo Natale"
Georg Friedrich Händel
"Laudate pueri Dominum", HWV 236, Halle 1706?
Kantate für Sopran, 2 Violinen und Basso continuo
Gesangstexte
Einführung
... Anno Domini - das Jahr des Herrn! Umflort von goldgleißendem Licht, begleitet von tosendem Flügelschlag steigt ein Wesen in die irdische Welt herab, das alle menschlichen Vorstellungen von Herrlichkeit und Macht bei weitem überstrahlt. Mit majestätischer Stimme verkündet der Engel die Ankunft des Messias und singt in immer neuen Variationen das Loblied auf unseren Herrn, Jesus Christus... Mit diesem Bild der Verkündigung eröffnet Heinrich Ignaz Franz Biber einen Sonatenzyklus der besonderen Art. Die auch als "Rosenkranz-" oder "Mysteriensonaten" bekannte Sammlung von 15 Sonaten und einer abschließenden "Passacaglia" überrascht durch ihren fast schon programmatisch zu nennenden Anspruch. Im einzig überlieferten, autographen Exemplar dieses Werkes ist jeder Sonate gleichsam als Initial ein Kupferstich mit Szenen aus den heiligen Mysterien des Rosenkranzes vorangestellt. Biber versah das Manuskript außerdem mit einer Widmung an seinen Dienstherrn, den Salzburger Erzbischof Maximilian Gandolph, und sehr wahrscheinlich ließ sich der Kirchenfürst von Biber persönlich mit diesen Sonaten in seine Privatandachten einstimmen. Diese Exklusivität ist eventuell die Ursache dafür, dass die Rosenkranzsonaten im Gegensatz zu den meisten Werken Bibers zu seinen Lebzeiten nie im Druck erschienen. Aber auch in violintechnischer Hinsicht warten die Stücke mit Überraschungen auf. Zum Einen sind sie mit Schwierigkeiten und Stricharten gespickt, deren Erfindung man getrost Paganini zuschreiben würde, zum Anderen kostet Biber die im 17. Jahrhundert durchaus gängige Praxis der Skordatur hier bis zum Exzess aus. Bis auf die den Zyklus eröffnende "Verkündigung" und die "Passacaglia" für Violine solo erfordern alle Sonaten, darunter auch die nach der Pause erklingende "Christi Geburt", mehr oder weniger kunstvolle, mitunter sogar haarsträubende "Verstimmungen" der Violine. Dieses planvolle Abweichen von der normalen Quintenstimmung eröffnet verschiedene technische und gestalterische Möglichkeiten. Es erlaubt zum Beispiel ganz neue Griffkombinationen für Doppelklänge und Akkorde. Durch die Skordatur können aber auch Klangcharakter und Resonanzverhalten der Violine bewusst gesteuert werden. Auch wenn wir global vernetzten Menschen längst nicht mehr jedes barocke Symbol zu deuten vermögen, sprechen Bibers Rosenkranzsonaten mit zahlreichen tonmalerischen Effekten auch heute noch ganz direkt zu uns. Wir sehen die majestätische Erscheinung des Engels vor uns, fühlen das warme Kerzenlicht der Krippe, hören die Hammerschläge am Kreuz oder befinden uns mitten im Triumphzug der Himmelfahrt.
Giuseppe Valentini war Schüler des großen Arcangelo Corelli und machte sich seinerzeit einen Namen als Violinvirtuose. Seine Weihnachtssinfonie "per il Santissimo Natale" entspringt im Gegensatz zu den lebensechten Schilderungen Bibers einer späteren, eher verklärenden Ästhetik. Nicht mehr das atemberaubende Geschehen selbst, sondern die friedliche Stimmung des "Idylls" der heiligen Familie in der Krippe steht nun im Vordergrund. Auch wenn die Sonate von Domenico Gallo keine Weihnachtssonate ist, "malt" sie ein ähnliches, fast schon süßlich-romantisierendes Bild. Seine Sammlung von 12 Sonaten für zwei Violinen und Basso continuo wurde schon zu seinen Lebzeiten unter Giovanni Battista Pergolesis Namen veröffentlicht. Da dieser zu den berühmtesten Musikern und Komponisten seiner Zeit zählte, geschah dies vermutlich unter verkaufsförderndem Aspekt. Diese Maßnahme zeitigte jedoch eine solche Wirkung, dass bald nur noch von den berühmten Triosonaten Pergolesis die Rede war. Themen und Motive dieser Sonaten verarbeitete Strawinsky in seiner neoklassizistischen Schaffensphase zu seinem Ballett "Pulcinella", das noch immer den Beinamen Pergolesi-Ballett trägt. Erst in jüngster Zeit entdeckte man die Fehlzuschreibung und ermittelte Gallo als wahren Schöpfer dieser Werke.
Während seines Studienaufenthaltes in Italien von 1706 bis 1710 arbeitete Georg Friedrich Händel mit Alessandro und Domenico Scarlatti, Arcangelo Corelli, Agostino Steffani und auch mit Giuseppe Valentini zusammen. Aus Italien und besonders aus der italienischen Oper bezog Händel die für seine Laufbahn als Musikdramatiker prägenden Impulse. Auch seine kompositorische Aufmerksamkeit galt zunächst vor allem der Oper und dem Oratorium. Instrumentale Kammermusik veröffentlichte Händel erst in London ab 1730. Aber auch hier bricht sich der "Theatermensch" Bahn. Die Triosonaten op. 5 greifen sämtlich Motive und Themen aus seinen Opern auf. Grund dafür dürften vor allem geschäftliche Erwägungen gewesen sein, denn einige Melodien von Händels Opern waren so beliebt, dass man sie natürlich auch im häuslichen Musizierkreis spielen wollte. Vielleicht wollte Händel damit auch der Gefahr von eigenmächtigen Bearbeitungen durch die Verleger entgegentreten. Die Sonate G-Dur nimmt im ersten Satz Bezug auf die Schäferoper "Il Pastor fido" aus dem Jahr 1734, Passacaille und Gigue greifen auf das Tanzspiel "Terpsicore" aus dem gleichen Jahr zurück. Die Kantaten Händels folgen den inhaltlichen Vorgaben der Rosenkranzsonaten. Entsprechend der eröffnenden "Verkündigung" greift auch das "Salve Regina" ein Marienthema auf. Zusammen mit den ergänzenden Instrumentalwerken ist der erste Teil des Konzertes somit eine Vorbereitung auf die eigentliche Weihnacht, die das musikalische Geschehen nach der Pause bestimmt. Im "Laudate pueri" werden mit bravourösen, geradezu opernhaften Koloraturen die zuvor erklungene "Geburt Christi", das Lob und die Ewigkeit Gottes und des christlichen Glaubens besungen. Mögen diese Klänge Sie in eine frohe und gesegnete Weihnacht geleiten.
Mitwirkende
Laure Delcampe - Sopran
NeoBarock
Maren Ries - Violine
Ariane Spiegel - Violoncello
Gregor Hollmann - Cembalo
Die Texte
Salve Regina
Largo
Salve Regina, mater misericordiae,
Adagio
Ad te clamamus exules filii Evae,
Allegro
Eja ergo, advocata nostra,
Adagissimo
O clemens, o pia,
Laudate pueri Dominum (Psalm 112/113)
Laudate pueri Dominum,
Sit nomen Domini benedictum,
A solis ortu usque ad occasum,
Excelsus super omnes gentes Dominus,
Quis sicut Dominus Deus noster,
Ut collocet eum cum principibus,
Qui habitare facit sterilem in domo,
Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto,