Saison 2007/2008: Konzert 1

Sonntag, 9. September 2007 17 Uhr Deutschlandfunk, Kammermusiksaal

Cembalo für Zwei

Werke von Johann Sebastian und Wilhelm Friedemann Bach, Georg Philipp Telemann, Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn im Original und im Arrangement Andreas Staier | Christine Schornsheim Chr. Schornsheim, A. Staier Sendung im Deutschlandfunk am 18.9.2007

Ob Bach oder Telemann, Haydn oder Mozart auf dem Programm steht: ein Clavierabend mit Christine Schornsheim oder mit Andreas Staier verspricht jederzeit ein besonderes Musikerlebnis. Wenn sich die beiden nun zum Cembalo-Duo zusammen tun, ist also doppelter Genuss vorprogrammiert. Sie eröffnen die neue Konzertsaison des Forums Alte Musik mit einer kurzweiligen Reise durch das Repertoire des 18. Jahrhunderts. »Es ist ein Programm, das wir wirklich nach Lust und Laune zusammengestellt haben«, so Andreas Staier, »wobei wir auch unserer Lust zu bearbeiten frönen...«

Programmfolge

Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Concerto C-Dur
für zwei Cembali BWV 1061a
ohne Bezeichnung - Adagio ovvero Largo - Fuga

Georg Philipp Telemann (1681-1767)
aus der »Alster-Ouverture« F-Dur TWV 55: F 11
(Transkription für Cembalo zu vier Händen von Andreas Staier)
Die Hamburgischen Glockenspiele
Die concertierenden Frösche und Krähen
Der Schwanen Gesang
Der Alster Schäffer Dorf Music

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Sonate D-Dur
für Cembalo zu vier Händen KV 381
Allegro - Andante - Allegro molto

Pause

Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784)
Concerto F-Dur
für zwei Cembali F 10
Allegro ma moderato - Andante - Presto

Joseph Haydn (1732-1809)
Partita F-Dur
für Cembalo a due Hob. XVIIa:2
Allegro - Menuet

Wolfgang Amadeus Mozart
Sechs deutsche Tänze KV 509
(Transkription für zwei Cembali von Andreas Staier)

Dialog im Wettstreit

Il maestro e lo scolare: Als Szene aus dem Unterrichtsalltag, bei dem der Schüler in der höheren Oktave das vom Lehrer Vorgespielte mehr oder minder brav nachahmt, gestaltete Joseph Haydn eines der vielleicht bekanntesten Stücke für zwei Clavierspieler, die in diesem Fall mit vier Händen an einem Cembalo vereint sind. Eine Situation, die bis heute jedem Schüler am Tasteninstrument vertraut sein dürfte. Und möglicher Ausgangspunkt für ein Genre, das sich im Laufe des 18. Jahrhunderts allmählich zu einem Publikumsrenner entwickelte: Zunächst wurde Orchestermusik in einer Reduktion für Tasteninstrumente in die intimere Atmosphäre der höfischen Kammern und bürgerlichen Salons getragen. Dann kam sie in dieser Form aber auch wieder zurück aufs Konzertpodium. Denn vieles von dem, was die Komponisten an Originalwerken wie an Bearbeitungen für vier Hände (sei es auf einem oder zwei Clavieren) schufen, zählt zum technisch und kompositorisch anspruchsvollsten und gleichzeitig zum unterhaltsamsten Konzertrepertoire - wie es das heutige Programm eindrucksvoll beweist. Etwa mit Haydns Partita F-Dur »per il Clavicembalo à Due« (Hob. XVIIa:2), einem sonatenhaften Virtuosenstück, das mit einem bravourösen, quasi sinfonischen Allegro anhebt und mit dem anschließenden Menuett die für eine Partita einst typische Tanzsatzfolge wenigstens andeutet. Mitte der 1730er Jahre setzte sich Anna Magdalena Bach in der Kantorenwohnung der Leipziger Thomasschule daran, von einer damals wohl schon mehr als ein Jahrzehnt alten Komposition ihres Gatten eine Abschrift anzufertigen, in der dieser dann noch Tempobezeichnungen, nicht zuletzt aber den Werktitel ergänzte: »Concerto a due Cembali di J. S. Bach« (BWV 1061a). Eine Komposition, die im Konzertschaffen Bachs Ihresgleichen sucht. Denn hier sind sich die beiden Claviere selbst genug, konzertieren ohne jede Begleitung durch Orchesterstimmen miteinander, ergehen sich in einem Wechselspiel der Motive, verschmelzen zu einem vielstimmigen Doppelinstrument, lassen sich dagegen nur kurzzeitig einmal auf eine Solo- oder Begleiterrolle festlegen. Erst zu einer späteren Gelegenheit wurde der dichte Claviersatz in der quirligen Eröffnung und der ausgedehnten Schlussfuge um begleitende Streicherstimmen ergänzt und die Komposition so im Klangbild den übrigen Konzerten Bachs für Clavier(e) und Orchester angeglichen - wobei der versonnene Mittelsatz aber weiterhin den beiden Cembali vorbehalten blieb. Il maestro e lo scolare, das könnte mit einiger Berechtigung auch über diesem Werk stehen. Denn seinerzeit profilierte sich gerade ein Meisterschüler Johann Sebastian Bachs als Claviervirtuose, sein ältester Sohn Wilhelm Friedemann. Auftritte zusammen mit dem Vater (zu deren Vorbereitung die Mutter als Notenkopistin beitrug) mochten ihm hinreichend Gelegenheit dazu geben, sei es vor der bürgerlichen Zuhörerschaft in Leipzigs studentischem Collegium musicum, sei es vor der höfischen Gesellschaft in Dresden, wo Wilhelm Friedemann seit 1733 als Organist an der Sophienkirche wirkte. 1740 komponierte er dann ein vergleichbar angelegtes und ähnlich beeindruckendes Stück für zwei Claviervirtuosen wie der Vater und überschrieb es nahezu analog zum Vorbild als »Concerto â duoi Cembali concertati di W. F. Bach« (F 10). In der kompositorischen Gestaltung zeigt es das Selbstbewusstsein einer neuen Generation: Zwei im Charakter höchst unterschiedliche und doch auf dem modernen Sonatensatz-Prinzip beruhende Sätze gehen dem konzertant auftrumpfenden Schluss-Presto voraus. Von der Komposition des Sohnes fertigte sich Johann Sebastian Bach eine Abschrift an - Ausdruck eines lebendigen kompositorischen Gedankenaustauschs und auch ein Hinweis auf eine gemeinsame Aufführung.

Reich an Charakterstücken ist Georg Philipp Telemanns »Alster-Ouvertüre« für 4 Hörner, 2 Oboen, Streicher und Basso continuo (TWV 55: F 11), die auf eine 1725 komponierte Glückwunsch-Serenata des Hamburger Musikdirektors für den Herzog von Braunschweig-Lüneburg zurückgeht. Er habe Telemann, »dem vielleicht geistreichsten, charmantesten und bestgelaunten Komponisten, den es in deutschen Landen bisher gegeben hat«, allenfalls vorzuwerfen, dass in seinem riesigen Œ uvre der Ertrag an Clavierwerken nicht gerade reich sei, äußerte Andreas Staier gelegentlich. In seiner Bearbeitung der Alster-Ouvertüre für zwei Cembali hat er aus dieser Not eine Tugend gemacht: Staiers Tastenversion zeigt vielleicht noch eindringlicher als Telemanns Orchesterfassung die progressive Originalität des spätbarocken Wahl-Hanseaten.

Wie in der Bach-Familie, so musizierte man auch bei den Mozarts oft gemeinsam, zuhause wie bei den öffentlichen Auftritten der musikalischen Wunderkinder Anna Maria und Wolfgang Amadeus. Mit ihrem vierhändigen Spiel begeisterten sie 1765 in London das Publikum. Damals ergab sich dort (natürlich am Clavier) auch die legendäre Begegnung Wolfgang Amadeus Mozarts mit dem jüngsten Bach-Sohn Johann Christian, der zu seinem kompositorischen Leitbild wurde: »Er nahm den Sohn zwischen die Füsse, jener spielte etwelche tact, dann fuhr der andre fort, und so spielten sie eine ganze Sonaten«, beschreibt es Vater Leopold Mozart. Die brillante Sonate D-Dur für Clavier zu vier Händen (KV 381) ist etwa sieben Jahre später entstanden und dürfte als Beitrag Wolfgang Amadeus Mozarts zum familiären Konzertrepertoire gedient haben, vielleicht auch zum Unterrichten fortgeschrittener Schüler. Jedenfalls verteilt er die Führungs- und Begleit-Aufgaben hier relativ ausgewogen auf beide Spieler.

In einer Clavierfassung und einem am 6. Februar 1787 (und damit zum Karneval) in Prag datierten Orchestersatz, beide von Mozarts Hand, sind die Sechs deutschen Tänze (KV 509) überliefert. »Jeder Teutsche hat sein Trio, oder vielmehr Alternativo; - nach dem Alternativo wird der Teutsche wieder widerhollet, dann wieder das Alternativo; dann geht es durch den Eingang weiter in den folgenden Teutschen«, notiert der Komponist zur Aufführungsweise. Andreas Staier hat sich in seiner Bearbeitung für zwei Cembali vornehmlich an der Orchesterversion orientiert und deren Effekte wirkungsvoll auf die beiden Tasteninstrumente umgemünzt.

behe

Mitwirkende

Christine Schornsheim (Cembalo)
Andreas Staier (Cembalo)

Christine Schornsheim und Andreas Staier spielen im Konzert Cembali nach deutschen Vorbildern um 1750 (gebaut von Keith Hill, Grand Rapids 1985) und nach Hieronymus Albrecht Hass, Hamburg 1734 (gebaut von Anthony Sidey und Fréderic Bal, Paris 2005).